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Thema in Ausschussitzung
Straßenschilder in Herten sollen an schlimme Zeiten erinnern: Fast wurden sie vergessen
- vonFrank Bergmannshoffschließen
In der Hertener Erinnerungskultur gibt es offenbar einige „Gedächtnislücken“. Das wurde in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses deutlich. In erster Linie ging es um Erklärungstafeln für die Schilder an zwei Hertener Straßen – doch letztlich waren es vier.
Rücklick: Im November 2019 kam nach einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht 1938 (siehe Fotostrecke) die Idee auf, Straßenschilder in Herten mit Zusatztafeln auszustatten. Konkret ging es um den Simmenauerweg in Herten-Mitte und die Dr.-Loewenstein-Straße in Süd. Deren historischer Hintergrund ist vielen Hertenern nicht bewusst.
Fotostrecke: Hertener gedenken der Opfer der Pogromnacht




So musste die jüdische Kaufmannsfamilie Simmenauer massive Repressalien erdulden, unter dem Druck der NSDAP ihr Kaufhaus an der Ewaldstraße aufgeben und nach Palästina fliehen.
Der angesehene und sozial engagierte jüdische Arzt Dr. Sally Loewenstein wurde von den Nazis mit einem Berufsverbot belegt, musste nach Düsseldorf umziehen, starb dort vereinsamt – womöglich durch Suizid. Seine Frau und die Töchter wurden ins KZ Theresienstadt verschleppt. Sie überlebten und kehrten 1945 zurück.
Kurz und knapp sollen die besagten Tafeln künftig an den Straßenschildern auf diese Hintergründe hinweisen. Das hat der Haupt- und Finanzausschuss einstimmig beschlossen.
Antrag lag lange unbearbeitet im Hertener Rathaus
Viele Hertener unterstützten seinerzeit die Idee: die Kirchen und das Bündnis „Herten ist bunt“ zum Beispiel. Stellvertretend brachten Petra Kohlhaas-Lindner und Stadtarchivarin Kirsten Noetzel das Thema als Bürgerantrag in die Politik ein. Dass der Antrag mehr als ein Jahr lang unbearbeitet im Rathaus lag, bevor die Stadtverwaltung ihn jetzt zur Abstimmung stellte, kritisierte Ratsherr Jürgen Grunwald (SPD).
Ratsherr Andreas Dünker (Fraktion Die Linke) blickte noch weiter zurück. Bereits am 21. Februar 2018 beschloss der Hertener Rat einstimmig, die Schilder an der Agnes-Miegel-Straße in Langenbochum und der Heinrich-Lersch-Straße in Süd mit Erklärungstafeln zu versehen. Passiert ist das bis heute nicht. Hertens Bürgermeister Matthias Müller sicherte zu, dass dies nachgeholt werde.
Bei Agnes Miegel und Heinrich Lersch handelt es sich nicht um Opfer des Nationalsozialismus, sondern eher um Verfechter. Historiker sind sich bei der Einordnung der beiden Dichter nicht einig. Fest steht, dass sie der NSDAP angehörten und 1933 das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“ unterzeichneten.