- 0 Kommentare
- Weitere
Wildschweine
Scheue Nachbarn - Heimlichtuer leben auch im stadtnahen Wald
- vonThomas Fiekensschließen
Oft rieche man die Tiere, bevor man sie sehe, wissen Jäger. Wenn man sie denn überhaupt zu Gesicht bekommt. Dass man sie nicht sieht, heißt also nicht, dass sie nicht da sind. Auch in Marl leben Wildschweine in Waldstücken eines dicht besiedelten Industrieraumes.
- Wildschweine leben auch in Waldstücken am Stadtrand
- Bestandsreduktion aus Angsst vor Virus ist Daueraufgabe
- Gefahr durch ausgewachsene Sau oder älteren Keiler
Das wissen die im Hegering Marl organisierten Jäger mit ihrem Vorsitzenden Holger Scheer nur zu gut. An die 100 Exemplare Schwarzwild bringen sie Jahr für Jahr zur Strecke. Auch das noch laufende Jagdjahr (immer vom 31. März bis 31. März) liegt in der Tendenz in diesem Bereich.
Auch wenn die Coronavirus-Pandemie alles überlagert – die Bestandsreduktion der Wildschweine bleibt eine Daueraufgabe, um sie als potenzielle Überträger der Afrikanischen Schweinepest (ASP) auf Hausschweine zu begrenzen. Auch hier geht es um ein Virus – ein zwar für den Menschen ungefährliches, aber für Tiere unausweichlich tödliches.
Angst vor Afrikanischer Schweinepest
„Für uns ist die Afrikanische Schweinepest seit Jahren ein Thema“, bestätigt Scheer. Früher begann im August die klassische Jagdzeit auf Wildschweine. Das ist Vergangenheit, die Schonzeiten für das Schwarzwild sind bis 2023 in NRW aufgehoben. Behörden drängen Jäger dazu, den Wildschwein-Bestand zurückzudrängen, ein ASP-Eintrag in den Hausschwein-Ställen würde den Markt sofort zusammenbrechen lassen.
Ein mit Rüsselnasen und Hauern umgepflügter Boden ist ein deutlicher Hinweis auf Wildschwein-Aktivitäten. Eicheln und Bucheckern, aber eben auch Engerlinge, Würmer, Mäuse und Wurzeln stehen auf dem Speiseplan der Tiere. Bei aller Furcht der Heimlichtuer vor dem Menschen entdecken Wildschweine auch rasch, dass irgendwo weggeworfene Lebensmittel eine prima Futterquelle darstellen – da geht die Scheu bisweilen verloren.
Wildschweine nicht füttern
Soweit, dass nachts auf jeder Terrasse in ländlichen Bereichen Marls ein Wildschwein steht, sei man nicht, meint Jäger Holger Scheer. „Mir ist bisher nicht zu Ohren gekommen, dass die Tiere durch Siedlungen spazieren. Aber wir können nur dringend davon abraten, aus falsch verstandener Tierliebe Wildschweine zu füttern, wie es zum Beispiel in Berlin gemacht wurde. Dann wird es brenzlig, wenn eine ausgewachsene Sau oder ein Keiler ältere Damen über den Haufen rennen, weil sie an Einkäufe im Korb heranwollen.“ Wie sich Wildschweinbestände in Marl und rund um die Stadt entwickeln, lasse sich schwer prognostizieren, sagt der Hegering-Vorsitzende.
Schwarzwild fühlt sich am wohlsten im ruhigen, dichten Wald mit Unterwuchs, die Tiere sind auf Wasser und Schlamm zum Suhlen angewiesen. Die Forschungsstelle Jagdkunde und Wildschadenverhütung am LANUV NRW (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen) geht davon aus, dass das Schwarzwild extrem vom Klimawandel profitiert. Kälte und Nässe setzen den Jungtieren zu, doch die extreme Trockenheit 2018 bis 2020 führte zusammen mit milden Wintern zu hohen Zuwachsraten und mehreren Generationen an Frischlingen, wie der gestreifte Nachwuchs genannt wird.